Gottfried Wilhelm                    Christi Himmelfahrt

Bueren             

1801 – 1859                                                   Der Tag des Scheidens kam auf Schmerzes-Flügeln,

                                                                            Sein Trauerhauch ging matt hin durch die Welt.

Da stand der Herr hoch auf Judäas Hügeln,

Rings um ihn hatten bang die Jünger sich gesellt.

 

Gehst du des Himmels Pforten zu entriegeln,

Ist unerschütterlich der Spruch gefällt,

Kann unser Fleh’n den hohen Sinn nicht zügeln?

Wir sinken, Herr, wenn uns dein Arm nicht hält.

 

„So ist der Mensch! mit namenlosem Bangen

Hält er des Daseins ätrmlich Loos umschlungen,

die Zukunft hat ein Schleier ihm verhangen.

 

„Was zittert ihr? Ist euch mein Wort verklungen;

Ich bleibe bei euch, bis die Welt vergangen!“ –

Spricht’s undzum Himmel hat er sich entschwungen.

 

 

 

 

 

Gottfried Wilhelm                    Die verstummte Harfe

Bueren             

1801 – 1859                                                   Die Harfe schweigt, ihr Zauber ist verklungen

                                                                            Und lautlos trauert sie im stillen Raum

Ums frische Leben, das sie hat durchdrungen

Und leise von durchzittert, wie ein Traum.

 

Die Töne, die den Saiten sich entschwungen,

Wie Schwän’ aufrauschend aus des Meeres Schaum.

Sie haben sich in süßen Tod gesungen,

Den letzten Flügelschlag vernehm’ ich kaum.

 

So floh’n auch meine leicht beschwingten Lieder:

Zu eng’ ward ihnen diese Brust voll Schmerz

Und ihre Sehnsucht trug sie himmelwärts.

 

Noch schütteln sie ihr klingendes Gefieder

Zum letzten Gruß und still ist alles wieder.

Der stummen Leier gleicht mein stummes Herz.